Ünner'n Beerboom

- Welturaufführung -

Kriminalstück von Hans Peter Renz
nach Theodor Fontanes "Unterm Birnbaum"
Regie: Armin Tacke
Bühnenbild: Christa Düx
Premiere: 05.03.05

Abel Hradscheck,
Gastwirt - Arnold Preuß
Ursel Hradscheck,
seine Frau - Marion Zomerland
Kunicke,
Bauer - Horst Karstens
Henke,
Scherenschleifer - Walter Bleckwedel
Ede,
Ladenjunge - Christian Strowik
Male,
Angestellte bei Hradscheck - Claudia Schröder
Hodde,
Zimmermann auf Wanderschaft - André Gelhart
Schulzki,
polnischer Reisender - Nicolas C. Ducci
Der Amtsrat - Günter Boye
Die alte Jeschke,
Nachbarin - Roswitha Wunderlich
Geelhaar,
Dorfgendarm - Marc Gelhart
Vohwinkel,
Justizrat - Thorsten Könnecke
Wonnekamp,
Totengräber - Ingo Folkers


Inhalt

Das Gastwirtspaar Ursel und Abel Hradscheck steckt tief in den Schulden. Er ist spielsüchtig, aber wenig erfolgreich, und zecht mit seinen Gästen gerne mit. Überdies hat seine Frau sehr hohe Ansprüche und pflegt einen hohen Lebensstandard, den sich die beiden auf Dauer eigentlich gar nicht leisten können. Nun hat Hradschecks polnische Lieferfirma ihren Gesandten Schulzki angekündigt, der die aufgelaufenen Schulden kassieren soll. In Abel keimt eine Idee, die ihm und seiner Frau aus der Finanzkrise helfen soll. Schulzki trifft wenig später ein, ebenso der Scherenschleifer Henke und der Zimmermann Hodde, sowie der Stammgast Kunicke. Nach einem Saufgelage setzt Abel seinen Plan in die Tat um. Zu später Stunde geht Schulzki stark betrunken ins Bett. Hodde verschwindet mit dem Dienstmädchen Male und provoziert den zurückbleibenden Henke zur Weißglut. Während Abel draußen zusammen mit Ursel ein Ablenkungsmanöver für die neugierige Nachbarin Jeschke durchführt und alte Speckseiten vergräbt, folgt Henke dem Zimmermann mit einem Messer. Wenig später kommt Abel herein und erschlägt Schulzki im Schlaf. Henke reist am nächsten Tag ab, und da Schulzki offiziell auch abreisen muss, schlüpft Ursel in den Pelz des Gesandten, so dass der etwas zurückgebliebene Ladenjunge Ede den Polen abreisen sieht. Schon kurze Zeit später meldet der Bauer Kunicke, dass ein Fuhrwerk im Fluß verunglückt sei, und Abel äußert, dass es vermutlich Schulzki sei. Auch der Dorfgendarm Geelhaar trifft kurz darauf ein und verkündet den Tod des Polen.



Er berichtet, dass das Fuhrwerk des Polen wie gekentert im Fluß lag. Das Pferd sei ertrunken, der Pole sowie das Geld nicht aufzufinden.



Trotz der hoffnungslosen Situation glaubt Geelhaar an die Aufklärung des Falls. Kunicke möchte in Gedenken an Schulzki trinken.



Abels Trinkspruch "Lang schall he läven!" findet Geelhaar jedoch äußerst pietätlos.



10 Monate vergehen, ehe der Nachtwächter Mewissen berichtet, dass er damals, als Schulzki verunglückte, Ursel Hradscheck mit einer Pferdedecke verhüllt in der Nähe der Unglücksstelle gesehen habe. Dadurch werden die ganzen Gerüchte um den mysteriösen Tod des Polen aufgefrischt, und der Justizrat Vohwinkel reist an, um den Fall aufzuklären. Geelhaar muss gezwungermaßen assistieren, obwohl er im Gegensatz zu Vohwinkel Hradscheck für schuldig hält.



Nachdem der Totengräber Wonnekamp im Garten unter dem Birnbaum nur die Leiche eines sagenumwobenen französischen Soldaten findet, beginnen die Verhöre.





Auch der Bauer Kunicke wird befragt zu dem fraglichen Vorabend, an dem es so heiter zuging und so großzügig ausgeschenkt wurde.



Viel neues kann er aber nicht zur Aufklärung beitragen.



Genauso wie Ede, der vor lauter Angst vor Hradscheck nicht mehr herausbekommt, als dass Schulzki bei der Abreise ein wenig klein aussah und sehr still war.



Bevor Vohwinkel das Verfahren einstellt, will er noch Ursel verhören, doch die wird mittlerweile von Schuldgefühlen geplagt und ist dem Wahnsinn nahe.



Immerhin spricht doch der tote Schulzki durch den Spiegel ihres heißgeliebten Trumeaus zu ihr.



Für die anderen redet sie jedoch nur in Rätseln.



Nach wenigen zusammenhangslosen Sätzen bricht Ursel vor ihrem Trumeau zusammen...



...und stirbt letztenendes in den Armen ihres Mannes, der mit Geelhaars Hilfe die Tote in die Wohnräume schleppt.



Vohwinkel beschuldigt Geelhaar, die Gerüchte durch seine Ermittlungen wieder heraufbeschworen und Ursel Hradscheck mit falscher Nachrede belastet zu haben.



Abel kehrt zurück, und nachdem Vohwinkel und Kunicke ihm ihr Beileid bekundet haben, bietet er ihnen einen Schluck an. Als Ede in den Keller geht, findet er dort einen Knopf, den er von Schulzkis Pelz kennen will.



Hradscheck beteuert jedoch, dass es sich nicht um dessen Knopf handelt.



Inzwischen misstrauisch geworden, schickt Vohwinkel den Gendarm in den Keller. Statt den dort vermuteten Schulzki, der seit 10 Monaten im Weinfass schwimmt, findet er den erstochenen Zimmermann in einem Erbsenfass.



Geelhaar nimmt Hradscheck fest. Die Ironie des Schicksals, dass Abel für den Mord am Zimmermann verhaftet wird, den er nicht begangen hat, während seine eigentliche Tat nicht aufgedeckt werden kann, lässt Abel vollkommen durchdrehen.




Kritiken

WILHELMSHAVENER ZEITUNG vom 7. März 2005

Sozialdrama zwischen
Strindberg und Krimi-Posse


NIEDERDEUTSCHE BÜHNE Bühnenfassung von Theodor Fontanes Roman „Unterm Birnbaum" nur bedingt erfolgreich

VON NORBERT CZYZ

WILHELMSHAVEN - Der Ehrgeiz, nicht nur Schenkelklopfer, sondern gelegentlich auch großes Theater machen zu wollen, ehrt das „Theater am Meer" - Niederdeutsche Bühne Wilhelmshaven. Vor einiger Zeit hieß das Stück „Misery", womit die Niederdeutsche einen Ausflug in die Oberstube der Literatur wagte. Nun stammte die Vorlage sogar von Fontane, dessen Roman „Unterm Birnbaum" sie in der szenischen Fassung von Hans Peter Renz mit dem ins Niederdeutsche transponierten Titel „Ünner'n Beerboom" am Sonnabend im Stadttheater zur Uraufführung brachte. Regie führte Armin Tacke

Unter dem Birnbaum liegt schon eine ältere Leiche
Fontanes Roman um den selbstverschuldet verschuldeten Schankwirt und Krämer Abel Hradschek (Arnold Preuß) ist eher ein Sozialdrama als eine Kriminalerzählung. Der Plot ist mit wenigenWorten erzählt: Dem labilen Hradschek gelingt es, seine Frau (Marion Zomerland), die nichts mehr fürchtet als den sozialen Abstieg, für ein Mordkomplott an einem polnischen Gläubiger zu gewinnen. Die Tatsache, dass unter dem Birnbaum der Hradscheks bereits eine ältere Leiche begraben liegt, hilft dem Ehepaar, den Mord über längere Zeit zu vertuschen. Doch Hradscheks Frau ist der Situation nervlich nicht gewachsen. Sie verfällt dem religiösen Wahn und stirbt. Weil aber der Verdacht auf Mord in der Dorfbevölkerung nie verstummt, will Hradschek (so bei Fontane) die Leiche, die im Keller vergraben ist, endgültig „Unterm Birnbaum" entsorgen. Dabei tappt er in die eigene Falle und wird, tot neben dem Mordopfer liegend, entdeckt. In der vorliegenden Fassung von Renz endet das Stück anders: Hradschek wird eines Mordes überführt, den er gar nicht begangen hat.

Ernstes Thema und unfreiwillige Komik passen nicht zueinander
Mehrere Fehleinschätzungen verhindern einen großen Erfolg der Bearbeitung. Autor Renz bleibt im Eröffnungsdialog der Hradscheks zu lange monologhaft und an Fontanes geschwollener Schriftsprache kleben. Hradschek und seine Frau begegnen sich wie steife Puppen. Orientiert sich Autor Renz in der Einleitung an der Dramatik eines Strindberg und Ibsen, gleitet die Angelegenheit unter Tackes Regie zunehmend in die Posse ab.

Das ernste Thema, „Klare" und Wein bis zum Abwinken, ein leichtfertiges Dienstmädchen (Claudia Schröder), eine Tratschtante, die aus dem Ohnsorgtheater entsprungen scheint (Frau Jeschke alias Roswitha Wunderlich), die Karikatur eines Justizrates (Thorsten Könnecke) und die unfreiwillige Komik, die die Geistererscheinung des Ermordeten Schulzki (Nicolas C. Duccy) erzeugt, sind Zutaten, die sich miteinander nicht vertragen. Zu denen kamen immer mehr verkrampfte Pointen hinzu, die den Gedanken der höheren Gerechtigkeit, der Hradschek eigentlich zum Opfer fällt, zukleisterten.

Die Bemühungen der Schauspieler, dem Publikum in der plüschstühlemen Landgasthofsstube (Bühnenbild: Christa Düx) einen unterhaltsamen Abend zu bieten, sind aller Ehren wert. Nimmt man den Applaus als Gradmesser, dann hat das Publikum genau dies bei der Schlussverbeugung der Akteure zum Ausdruck bringen wollen.

In weiteren Rollen agierten Horst Karstens als trinkfester Bauer Kunicke, Walter Bleckwedel als Scherenschleifer Henke, Christian Strowik als ängstlicher Ladenjunge, Andre' Gelhart als draufgängerischer Wandergeselle, Günter Boye als Amtsrat, Marc Gelhart als Dorfgendarm und Ingo Folkers als Totengräber.


JEVERSCHES WOCHENBLATT vom 7. März 2005

Theodor Fontane spricht auch plattdeutsch

Niederdeutsche Bühne:
Welturaufführung „Ünner'n Beerboom" /
Aus Novelle wird Kriminalstück


VON ERNST RICHTER

WILHELMSHAVEN - Der Dichter Theodor Fontane wurde 1819 als Apotheker-Sohn in Neuruppin geboren und starb 1898 in Berlin. Er hinterließ ein vielfältiges literarisches Schaffen unter anderem Romane wie „Effi Briest" und „Der Stechlin". Seine Novelle „Unterm Birnbaum" ist von Hans Peter Renz jetzt zu einem niederdeutschen Kriminalstück umgearbeitet worden. Regisseur Armin Tacke hat es für das „Theater am Meer - Niederdeutsche Bühne Wilhelmshaven" in Szene gesetzt. Die Welturaufführung ging am Sonnabend im Stadttheater über die Bühne.

Die Handlung des Stücks „Ünner'n Beerboom" spielt in dem kleinen Oderbruchdorf Tschechin, wo Abel und Ursel Hradscheck einen Gemischtwarenladen mit Schankstube betreiben. Er ist wegen seiner fatalen Spielleidenschaft und Trinkfreude total verschuldet, und sie gefällt sich als vornehme Frau, die nichts mehr als die Armut fürchtet. In der Schankstube liest Ursel (Marion Zomerland) ihrem Mann Abel (Arnold Preuß) eindringlich die Leviten. In der Schankstube wird es lebendig, der Scherenschleifer Henke (Walter Bleckwedel), Bauer Kunicke (Horst Karstens) und Hodde, der Zimmermann auf der Walz (Andre Gelhart), kehren ein. Und zu allem Unglück erscheint Schulzki (Nicolas C. Ducci), ein polnischer Geschäftsvertreter, der für seine Firma abkassieren soll.

Es wird kräftig zugeprostet. Dazwischen wirbelt die Hausangestellte Male (Claudia Schröder) keck und graziös durch die Szene, macht dem Zimmermann Avancen und tischt den Gästen auf. Der Laufjunge Ede (Christian Strowik) soll aus dem Keller Flaschen holen. Er sträubt sich, ist abergläubisch. Der Pole Schulzki hat schon mächtig einen in der Krone und steigt selbst in den Keller. Es gruselt ihn leicht, da möcht er nicht begraben sein. Nach dem dritten Akt ist Pause. Es ist zwiespältig, Fontanes bildreiche Sprache aus dem 19. Jahrhundert plattdeutsch zu aktualisieren und gleichzeitig Längen zu vermeiden.

Das Theaterpublikum hat viel Konversation gehört und wenig Aktion gesehen. Ein Zeitraffer wäre angebracht. Zum Teil wurde recht leise geredet, so dass die Zuschauer der hinteren Reihen Mühe hatten, die Dialoge zu verfolgen. Dann kommt mit dem Erscheinen des Amtsrats (Günter Boje), des Justizrats Vohwinkel (Thorsten Könneche) und des Dorfgendarms Geelhaar (Marc Gelhart) Spannung auf. Bei der Vernehmung über die ungeklärte Unfallursache des polnischen Vertreters nach dessen Abreise bietet als Nachbarin die alte Jeschke (Roswitha Wunderlich) eine großartige Charakterpartie, die vom Publikum mit Beifall auf offener Bühne bedacht wird. Verzwickt entwickelt sich die Lösung des Kriminalfalls, an dem auchTotengräber Wonnekamp (Ingo Folkers) mitwirkt. Ein paar Fragen bleiben offen.

Die Niederdeutsche Bühne Wilhelmshaven präsentiert sich zu dieser Uraufführung mit ihrem Ensemble, das über drei Generationen von 18 bis 80 Spielfreude beweist. Besonders ins Blickfeld rückten Roswitha Wunderlich als Jeschke, Nicolas C. Ducci als Schulzki sowie Marion Zomerland als Ursel und Arnold Preuß als Abel Hradscheck. Das Bühnenbild von Christa Düx und Armin Tacke bietet den passenden Spielrahmen.


NORD-WEST-ZEITUNG vom 7. März 2005

Krimi-Posse mit
steifen Puppen


PREMIERE Niederdeutsche Bühnenfassung von Fontanes „Unterm Birnbaum"

Autor Hans Peter Renz machte aus Fontanes Sozialdrama „Unterm Birnbaum" ein Kriminalstück. Das „Theater am Meer" besorgte die Uraufführung.

VON NORBERT CZYZ

WILHELMSHAVEN - Der Ehrgeiz, nicht nur Schenkelklopfer, sondern gelegentlich auch großes Theater machen zu wollen, ehrt das „Theater am Meer". Vor einiger Zeit hieß das Stück „Misery", womit die Niederdeutsche Bühne am Stadttheater in Wilhelmshaven einen Ausflug in die Oberstube der Literatur wagte. Nun stammte die Vorlage sogar von Fontane, dessen Roman „Unterm Birnbaum" sie in der szenischen Fassung von Hans Peter Renz mit dem ins Niederdeutsche transponierten Titel „ Unner'n Beerboom" nun zur Uraufführung brachte. Regie führte Armin Tacke.

Fontanes Roman um den selbstverschuldet verschuldeten Schankwirt und Krämer Abel Hradschek (Arnold Preuß) ist eher ein Sozialdrama als eine Kriminalerzählung. Der Plot ist mit wenigen Worten erzählt: Dem labilen Hradschek gelingt es, seine Frau (Marion Zomerland), die nichts mehr fürchtet als den sozialen Abstieg, für ein Mordkomplott an einem polnischen Gläubiger zu gewinnen. Die Tatsache, dass unter dem Birnbaum der Hradscheks bereits eine ältere Leiche begraben liegt, hilft dem Ehepaar, den Mord über längere Zeit zu vertuschen. Doch Hradscheks Frau ist der Situation nervlich nicht gewachsen. Sie verfällt dem religiösen Wahn und stirbt. Weil aber der Verdacht auf Mord in der Dorfbevölkerung nie verstummt, will Hradschek (so bei Fontane) die Leiche, die im Keller vergraben ist, endgültig „Unterm Birnbaum" entsorgen. Dabei tappt er in die eigene Falle und wird, tot neben dem Mordopfer liegend, entdeckt. In der vorliegenden Fassung von Renz endet das Stück anders: Hradschek wird eines Mordes überführt, den er gar nicht begangen hat.

Mehrere Fehleinschätzungen verhindern einen großen Erfolg der Bearbeitung. Autor Renz bleibt im Eröffnungsdialog der Hradscheks zu lange monologhaft und an Fontanes geschwollener Schriftsprache kleben. Hradschek und seine Frau begegnen sich wie steife Puppen und nicht wie Menschen aus Fleisch und Blut. Während sich Autor Renz in der Einleitung an der Dramatik eines Strindberg und Ibsen orientiert, gleitet die Angelegenheit unter Tackes Regie zunehmend in die Posse ab.

Das ernste Thema, „Klare" und Wein bis zum Abwinken, ein leichtfertiges Dienstmädchen (Claudia Schröder), eine Tratschtante, die aus dem Ohnsorgtheater entsprungen scheint (Frau Jeschke alias Roswitha Wunderlich), die Karikatur eines Justizrates (Thorsten Könnecke) und die unfreiwillige Komik, die die Geistererscheinung des Ermordeten Schulzki (Nicolas C. Duccy) erzeugt, sind Zutaten, die sich miteinander nicht vertragen. Zu denen kamen immer mehr verkrampfte Pointen, die den Gedanken der höheren Gerechtigkeit, der Hradschek eigentlich zum Opfer fällt, zukleisterten.

Die Bemühungen der Schauspieler, dem Publikum in der plüschstählernen Landgasthofsstube (Bühnenbild: Christa Düx) einen unterhaltsamen Abend zu bieten, sind aller Ehren wert. Nimmt man den Applaus als Gradmesser, dann hat das Publikum genau dies bei der Schlussverbeugung der Akteure zum Ausdruck bringen wollen.

Karten: 04421/9 40 10



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